Filmpremiere

Arbeit des Musiktheaterkurses 12 am Dokumentarfilmprojekt

 

„plötzlich grenzenlos“

Das Landschulheim Grovesmühle, eingebettet in die historische und geografische Kulisse des Nordharzes, bietet mit seinem Wahlpflichtfach Musiktheater einen außergewöhnlichen Rahmen, um künstlerische, historische und technische Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Im Schuljahr 2023/2024 widmete sich der Musiktheaterkurs 12 unter der Leitung von Fachlehrkräften aus den Bereichen Musik, Kunst und Darstellendes Spiel der Erstellung eines Dokumentarfilms mit dem Titel „plötzlich grenzenlos“. Dieses interdisziplinäre Projekt verband regionalgeschichtliche Forschung, kreatives künstlerisches Arbeiten und technische Filmproduktion und mündete in einer geplanten Filmpremiere im Jahr 2025.

1. Phase: Ideenfindung und Entwicklung eines Drehbuchs (2023)

Die Projektarbeit begann mit einem Schwerpunkt auf der Ideenfindung und der dramaturgischen Gestaltung eines Handlungsstrangs. Inspiriert durch das 35-jährige Jubiläum der Grenzöffnung in Stapelburg/Eckertal fanden die Schülerinnen und Schüler ein Thema, das historische und nach einer zielgerichteten Befragung des familiären Umfeldes persönliche Dimensionen vereinte. In Gruppenarbeiten sammelten sie Ideen und entwickelten erste Szenen, die sie in einer Klausurersatzleistung verschriftlichten. Parallel dazu begann die Bandarbeit mit der Komposition eigener Songs und der Auswahl passender Musik für den Film.
Diese Phase betonte die kreative Zusammenarbeit und den Austausch innerhalb der Gruppe, indem sie die Interessen der Teilnehmenden – sei es Musik, Schauspiel oder Geschichte – einband und eine künstlerische Vision für das Projekt schuf.

2. Phase: Technische Grundlagen und erste Szenen (2024)

Im zweiten Halbjahr lag der Fokus auf dem Erlernen und Erproben filmischer Techniken. Die Schüler setzten sich mit Fachliteratur zur Filmproduktion auseinander und begannen erste Dreharbeiten. Besonderen Wert legte das Team darauf, den Dokumentarfilm nicht als nüchterne Reportage, sondern als künstlerisches Werk zu gestalten. Durch die Vermischung von nachgestellten Szenen, historischen Dokumenten und Musik sollte das Publikum emotional angesprochen und zum Nachdenken angeregt werden.
Während der Gruppenarbeiten wurde der Handlungsstrang in ein finales Drehbuch überführt. Eine zweite Klausurersatzleistung bestand im Dreh und Schnitt einer ausgewählten Szene. Gleichzeitig intensivierte sich die Bandprobenarbeit, wobei die eigens komponierten Songs den Film emotional untermalen sollten. Auch Gespräche mit Zeitzeugen und die Entscheidung zur Teilnahme am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten erweiterten den thematischen Horizont des Projekts.

3. Phase: Intensivdreh und Zusammenarbeit mit dem Offenen Kanal (2024)

Im dritten Halbjahr erlebte das Projekt eine besonders praxisorientierte Phase. Die Schüler arbeiteten eng mit dem Offenen Kanal Wernigerode zusammen, der nicht nur technische Unterstützung bot, sondern auch Zugang zu historischem Filmmaterial aus der Wendezeit ermöglichte. Während drei aufeinanderfolgender Drehtage entstanden zentrale Szenen des Films an historischen Schauplätzen wie der Gedenkstätte Mattierzoll und dem ehemaligen Grenzübergang in Stapelburg/Eckertal.
Teambildende Maßnahmen, wie die Übernachtung im Internat während der intensiven Dreharbeiten, stärkten den Zusammenhalt der Gruppe und boten vielfältige Gelegenheiten zum Austausch von Erfahrungen und Eindrücken aus den laufenden Dreharbeiten. Die Archivrecherche und Gespräche mit Zeitzeugen, darunter auch der Vortrag eines ehemaligen DDR-Gefangenen, brachten den Schülern die historischen Hintergründe der deutschen Teilung und Wiedervereinigung eindrücklich nahe.

Diese Phase verdeutlichte die professionelle Herangehensweise an das Projekt: Neben der künstlerischen Umsetzung eigneten sich die Schüler technisches Know-how in den Bereichen Drehen und Schneiden an, unterstützt von Fachleuten des Offenen Kanals. Die Bandarbeit setzte sich fort, wobei Audioaufnahmen für den Film erstellt wurden.

4. Phase: Auswertung und Präsentation (2025)

Das abschließende Halbjahr widmete sich der Fertigstellung und Präsentation des Films. Nachdreharbeiten und die Vertonung des Materials wurden durchgeführt, während parallel die Filmpremiere geplant wurde. Die Schüler gestalteten eine begleitende Ausstellung, die fiktive Biografien der Filmcharaktere mit realen Figuren aus der DDR-Geschichte verknüpften sollte.
Die Premiere von „plötzlich grenzenlos“ wurde als interaktive Veranstaltung geplant, die neben der Filmvorführung auch Vorträge, Zeitzeugengespräche und musikalische Beiträge beinhaltete. Dabei übernahmen die Schüler eigenständig organisatorische Aufgaben wie Werbung, Programmgestaltung und die Moderation der Veranstaltung.

Erworbene fachliche Kompetenzen

Durch die Arbeit an diesem Projekt erwarben die Schülerinnen und Schüler eine Vielzahl von Kompetenzen:

  1. Theaterpädagogische Kompetenzen:
    • Entwicklung und Umsetzung eines Handlungsstrangs in einem künstlerischen Kontext
    • Schauspiel und Inszenierung für die Kamera
    • Kreative Gestaltung von Musik und Texten
  2. Filmische und technische Fähigkeiten:
    • Grundlagen des Drehbuchschreibens, Drehs und Schnitts
    • Umgang mit professioneller Software wie „CapCut“ und „Davinci“
    • Technische Zusammenarbeit mit Experten
  3. Historische und gesellschaftliche Auseinandersetzung:
    • Recherche und Verarbeitung regionalgeschichtlicher Themen
    • Gespräche mit Zeitzeugen und Analyse von historischem Filmmaterial
    • Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten des Alltags zur Zeit der DDR
      (Ausstattung von Schulen, Unterrichtsgestaltung der Lehrkräfte oder auch damals übliche Kleidung Jugendlicher in der Schule und in der Freizeit)
  4. Projekt- und Teamarbeit:
    • Organisation eines komplexen, mehrphasigen Projekts
    • Selbstständige Planung und Durchführung von Aufgaben
    • Teambildung und Kommunikationsfähigkeit
  5. Künstlerische Ausdrucksformen:
    • Verknüpfung von Musik, Theater und Film
    • Entwicklung eines ästhetischen Gesamtkonzepts
       

Bewertung des Projekts

Das Dokumentarfilmprojekt „plötzlich grenzenlos“ kann aus theaterpädagogischer Sicht als äußerst gelungen bewertet werden. Es verband die historische Auseinandersetzung mit künstlerischem Ausdruck und schuf so ein Medium, das Emotionen weckt und zur Reflexion anregt. Die Kombination von Schauspiel, Musik und Film ermöglichte den Schülerinnen und Schülern eine ganzheitliche und kreative Erfahrung, die weit über den regulären Unterricht hinausging.

Aus pädagogischer Sicht zeigte das Projekt die Bedeutung von interdisziplinärer Zusammenarbeit und praxisorientiertem Lernen. Die intensive Auseinandersetzung mit Geschichte und die Verantwortung, die die Schüler in allen Phasen des Projekts übernahmen, förderten ihre Eigenständigkeit bei der Organisation praktischer Abläufe, ihr kritisches Denken, ihre Selbstwahrnehmung, ihr Selbstbewusstsein und ihre Sozialkompetenz.

Dieses Projekt ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie kreatives Lernen zu tieferem Verständnis und nachhaltigem Wissenserwerb führen kann – eine Bereicherung nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Schulgemeinschaft.

Das Gesamtprojekt „plötzlich grenzenlos“ zeigt eine gelungene Verbindung von künstlerischer Freiheit und pädagogischer Struktur. Die Schülerinnen und Schüler konnten nicht nur ihre kreativen Talente entfalten, sondern auch ihre Fähigkeiten in Bereichen wie Teamarbeit, historische Recherche und technische Umsetzung erheblich erweitern. Die Entscheidung, den Dokumentarfilm als künstlerisches Produkt zu gestalten, ermöglichte es, komplexe historische Themen auf eine Weise zu präsentieren, die das Publikum nicht nur informiert, sondern auch emotional berührt und zum Nachdenken anregt.

Die Organisation der Filmpremiere und der begleitenden Ausstellung zeugt von einer fundierten pädagogischen Planung, die den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit gab, ihre Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und dabei auch ihre organisatorischen Fähigkeiten zu stärken. Die Kooperation mit externen Fachleuten vom Offenen Kanal Wernigerode verlieh dem entstandenen Dokumentarfilm die Qualität - die enge Zusammenarbeit zwischen Experten und Schülern verlieh ihm zudem eine hohe Authentizität.

Insgesamt hat das Dokumentarfilmprojekt des Musiktheaterkurses nicht nur die fachlichen Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler erweitert, sondern auch ihre persönliche Entwicklung gefördert und ihnen wichtige Erfahrungen für ihre weitere akademische und berufliche Laufbahn vermittelt. Es stellt einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Bildung und zur Geschichte der Region dar.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Projekt nicht nur die Grenzen des klassischen Unterrichts sprengte, sondern auch die Grenzen des Erinnerns und Verstehens in einer globalisierten Welt erweiterte.

Christian Hauf (CH) - Fachbereich Musik, Landschulheim Grovesmühle, 30. Januar 2025

 

Filmkritik von Ralf Fordermann

zum Dokumentarfilm